Bürgerinitiative FREIeHEIDe

Ostermarsch 2003 – Fretzdorf

Andacht  Dr. Wolfgang Ullmann

 

 

Liebe Freundinnen und Freunde!

 

Ich lese aus dem Philipperbrief des Paulus: „Freut euch in dem Herrn, alle Zeit und abermals sage ich freuet euch. Euere Sanftheit lasst kund sein allen Menschen. Der Herr ist nahe. Sorgt nicht, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten im Gebet und Flehen mit Dank vor Gott offenbar werden. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre euere Herzen und Sinne in Christus Jesus.“

 

Liebe Freunde und Freundinnen, ich will zunächst erklären, warum ich diese bekannten Worte, die ja jeden Sonntag fast in unseren Kirchen zu hören sind, ausgesucht habe. Das hängt mit der Situation des Friedens und der Friedensbewegung zusammen.

Denn sie ist ganz anders, als die Friedensbewegung vor 20 Jahren. Da ging es um die Opposition, gegen die Postierung von einzelnen Raketen und dagegen, dass unser Land möglicherweise zum Zielpunkt von Atomsprengköpfen wird. Jetzt geht es um etwas ganz anderes. Es geht um die Alternative, ob die Völkergemeinschaft der ganzen Welt in eine neue Ära des Weltkrieges eintritt, oder ob wir es schaffen, nun endlich das Programm der Vereinten Nationen und der Europäischen Union durchzusetzen eine Weltfriedensordnung herzustellen auf allen Kontinenten. (Applaus)

 

Dazu freilich, das wisst Ihr alle, müssen ganz andere Kräfte und Mittel mobilisiert werden als vor 20 Jahren. Und ich habe mir überlegt, wo können die Kräfte herkommen, die zu einer solchen Willensbildung uns ermutigen und bestärken?

Und da fielen mir diese Worte des Apostels Paulus ein. Das was ich gesagt habe, wir brauchen eine Weltfriedensordnung der Völker, das ist eine Forderung der Vernunft. Aber um sie durchzusetzen, so meine ich, brauchen wir die Kräfte eines Friedens, der höher ist, als alle Vernunft. Warum, weil die Kraft, das zu bewirken und unser Denken und unseren Willen in diese Richtung zu bewegen nur aus der Freude kommen kann. Die Freude ist gemeint, von der der Apostel Paulus hier spricht. Eine Freude, zu der er uns auffordert, aber eben nicht nur auffordert, sondern er erklärt auch, woher sie kommen kann. Er erklärt sie damit, dass er sagt, unser Sinn, er möge gefesselt sein,  so steht es in griechischer Sprache, an Jesus Christus. Und der heutige Ostertag, erklärt, warum das so ist. Ihr wisst es alle, an Jesus ist das volle Ausmaß der Verletzung von Menschenwürde, von Verspottung, von Anspucken, von Diffamierung, von falschen Anschuldigungen bis zum Justizmord am Kreuz offenbar geworden. Aber er hat all das besiegt, nicht durch Gegenschläge, durch Gewaltanwendung, im Gegenteil, er hat ja Jüngern, die Ihn verteidigen wollten, sogar das Schwert verboten. Und er hat all das überwunden durch die Auferweckung, die wir am heutigen Tage begehen. Und das ist der Anlass zu einer  nicht mehr zertrennbaren Freude, einer Freude, die uns den Zugang für einen Frieden, der höher ist, als alle Vernunft, zu einem Frieden, von der der Apostel, wir haben es gerade gehört, der Meinung ist, wir haben ihn mit Sanftmut durchgesetzt und eben nicht mit Gewalt.

 

Was bedeutet das für die Friedensbewegung?

Es bedeutet, liebe Freundinnen und Freunde, dass wir eine Kraft haben, gegen die Entmutigung, die ja ganz nahe liegt. Die Entmutigung gegenüber der Verspottung, der wir jetzt ausgesetzt sind. Einer der namhaften Dichter unseres Landes, Hans Magnus Enzensberger hat es ja für nötig gehalten unlängst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Spottartikel über die Friedensbewegung zu veröffentlichen, der auf die Tonart: „Na hier seht ihrs ja, wie dumm eure ganze Friedensbewegung ist. 

Jetzt ist der Tyrann beseitigt, nicht durch die Friedensbewegung, sondern durch die Bomben der US-Air Force und durch die Gewalt der Marines.“ Das hat etwas Entmutigendes. Aber wir können uns nicht entmutigen lassen, weil wir nicht Erfolgsdenker sind, sondern die Friedensbewegung. Eine Friedensbewegung, die von einem Frieden weiß, der höher ist, als alle Vernunft, als unsere spöttische, verzagte, verunsicherte Vernunft. Und das wollen wir nun anwenden, liebe Freundinnen und Freunde, jetzt in dem Denken von diesem Frieden her, das ist ja nichts Mystisches, das ist etwas ganz Praktisches, ein Frieden, der lebt. In einer unüberrechbaren Freude wird uns klar, wozu die Friedensbewegung da ist und was sie bereits erreicht hat. Was hat sie denn erreicht?

Sie hat erreicht, dass in aller Welt klar gestellt worden ist, die ganzen Begründungen: Man wolle Waffen ausheben, man wolle die Welt vor einem Krieg mit Chemischen, Biologischen u. Atomaren Waffen bewahren. Man wolle das durch Kontrollen tun, die durch eine Drohkulisse glaubhaft gemacht wird. Das Alles war Betrug. Das hat die Friedensbewegung in der ganzen Welt klargestellt. (Applaus)

 

Sie hat auch klargestellt, dass der Besitz von B 52 – Bombern keine Rechtsgrundlage ist dafür, dass man an jeder beliebigen Stelle in der Welt bombardieren kann und damit unschuldige Menschen, Frauen und Kinder töten kann. Diese Rechtsgrundlage existiert nicht und es ist eine geradezu kindische Vorstellung, dass der Besitz von solchen Waffen das Recht gebe, sie über Andere nach eigenem Belieben anzuwenden. Ich sage ausdrücklich, das ist eine kindische Vorstellung, unwürdig einer Menschheit und einer Völkergemeinschaft, die aus dem Jahrhundert der Weltkriege aus dem Auschwitz- und Screbreniza–Jahrhundert her kommen. Es ist auch weiterhin klar gestellt worden, und dazu sind wir hier, um an dieser Klarstellung weiterzuwirken, dass die „Friedliche Revolution“, doch nicht dazu stattgefunden hat, dass wir dann den Auszug aus dem Jahrhundert der Weltkriege und den Auszug aus dem Jahrhundert der Massenvernichtungswaffen zu dem Zweck vollzogen haben, um zurück zu kehren, in ein Zeitalter des Imperialismus, in dem das alles wiederkommt. In dem der ganze Unterschied zum 20.Jahrhundert darin bestehen soll, dass es nur eine Supermacht geben soll, die all das verwenden kann. Nein, dazu war die friedliche Revolution nicht da. Und die friedliche Revolution hat einen ganz anderen Beweis angetreten. Wir stellen uns einmal vor: Bei uns wäre es so hergegangen, wie es jetzt in Bagdad hergeht. Wir haben doch, und brauchen uns deswegen nicht zu rühmen, aber wir müssen daran festhalten, dass in unserem Lande eine Diktatur gestürzt worden ist, durch eine friedliche Revolution und dadurch, dass da gehandelt worden ist unter der Devise: „Keine Gewalt!“. Und wir haben klar gestellt, dass diese friedliche Revolution nicht zu dem Zweck stattgefunden hat, dass eigentlich schnell nach der Sowjetarmee und der Nationalen Volksarmee die Bundeswehr oder irgendwelche andere Armeen in die Rechtsnachfolge eintreten und unser Land mit einem BOMBODROM bedrohen. (Applaus)

 

Wir haben klargestellt, dass wir zu dem Volk gehören, zu dem Völker in aller Welt mittlerweile gehören, die ihren Regierungen sagen, NEIN, wir sind mündig genug, um Euch sagen zu können, diesen Weg der Lösung internationaler Gewalt durch B52-Bomber und durch Marines wollen wir nicht mehr mitgehen. Das ist klargestellt. Und dabei bleiben wir. Und wir können in aller Ruhe dabei bleiben, weil wir 1989 wie jetzt handeln aus der Freude darüber, dass das klargestellt worden ist. Und insofern ist das, was wir hier tun in Fretzdorf und anderswo, zwar eine lokale Angelegenheit, wo Bürgerinnen und Bürger auch ihre lokalen Interessen zu Geltung bringen, so wie das der Herr Bürgermeister gesagt hat, aber wir sind Teil des Volkes in aller Welt, das den Regierungen sagt, wir sind das Volk, das die Zeit der Kriege und des Umbringens unschuldiger Menschen hinter sich gelassen hat. (Applaus)

 

Die Worte des Apostels Paulus stellen auch noch etwas anderes dar. Ich weiß natürlich, dass viele unter Euch jetzt fragen: „Wie konnte Gott das zulassen, dass trotz aller Bemühungen von Millionen auf den Straßen dieser Welt, von Australien bis nach San Franzisko doch eine Kulturstadt wie Bagdad bombardiert worden ist und unersetzliche Kulturschätze zu Grunde gerichtet wurden mit der Begründung: Ein Diktator könne nur auf diese Weise gestürzt werden? Wie konnte Gott  das zulassen?“.

 

Liebe Schwestern und Brüder, die Antwort liegt vor. Und sie lautet: Die Frage ist falsch gestellt! Denn die Frage richtet sich an die Völkergemeinschaft; auch an uns und sie lautet: Wie konnten wir das zulassen, denn die Adresse und die Hausnummer derer, die für die unschuldigen Toten und für die Zerstörung unersetzlicher Kulturgüter verantwortlich sind, die ist bekannt. Und wir werden sie nicht vergessen und wir werden mit allen uns zu Gebote stehenden Kräften und Gedanken dafür eintreten, dass diejenigen, die dafür verantwortlich sind zur Rechenschaft gezogen werden. (Applaus)

 

Das sagen wir gerade als Vertreter der Friedensbewegung, als Vertreter einer Friedensbewegung, die nicht aus Träumern und blauäugigen Idealisten besteht, sondern eine Bewegung ist, die dafür eintritt, dass die Gewalt, die es auf der Welt immer noch gibt, nur in einem Sinne eingesetzt werden kann, so wie es die UNO-Charta voraussetzt, ähnlich im Interesse Aller und das heißt zur Durchsetzung des Völkerrechtes und des Rechtes der Freiheit und Grundrechte aller Völker und aller Menschen in aller Welt. Und wir können das sagen ohne Hassgefühle. Und wir können es sagen im Wissen um den Frieden, der höher ist als alle Vernunft und darum unsere Vernunft ermutigen, die Forderungen der Vernunft in dieser Welt durchzusetzen, weil wir allsonntäglich und ich weiß nicht, wie oft das „Vater unser“ beten; „...Dein Wille geschehe !“. Und der Wille Gottes ist eben nicht, dass die Menschen sich gegenseitig umbringen, und dabei auch noch seinen Namen missbrauchen, wie das ständig geschieht. Sein Wille ist: „Friede auf Erden und Gerechtigkeit; dass Friede und Gerechtigkeit sich küssen.“ Und wir können dabei ruhig und gelassen, oder sogar wie Paulus sagt, „sanftmütig“ sein, weil wir Gott als Vater anrufen und seine Väterlichkeit ist ganz etwas anderes, als was wir unter uns so nennen. Es ist die Väterlichkeit jemandes, der weiß: Wir sind nur Staub. Aber wir sind nur Staub und doch gleichzeitig Ebenbilder Gottes. Und darum hört Gott das Schreien der Kinder und der Frauen und der Misshandelten und auch der Verspotteten und Diffamierten und er wird darauf antworten. Er wird darauf aber so antworten, wie wir es uns nicht vorstellen können, weil es dabei um den Frieden geht, der höher ist als alle Vernunft.

 

Und in diesem Sinne möchte ich euch ermutigen nicht nur zu marschieren, sondern überall, wo ihr seid, wo ihr redet und handelt, gewiss zu sein, dass wir, das Volk der Friedensbewegung, nicht mutlos und resigniert zu sein brauchen, weil wir einen Zugang haben, zu einer ununterbrechbaren Freude, einen Zugang zu einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft und uns darum gerade ermutigt und bekräftigt, das durchzusetzen, was die Vernunft von uns in dieser unserer Zeit von uns fordert.

 

f.d.R.d.A.:

Tonbandaufzeichnung

Rainer Kühn

Chronist

BI-FREIeHEIDe