Bürgerinitiative
FREIeHEIDe
Andacht Dr. Wolfgang Ullmann
Liebe
Freundinnen und Freunde!
Ich
lese aus dem Philipperbrief des Paulus: „Freut euch in dem Herrn, alle Zeit und
abermals sage ich freuet euch. Euere Sanftheit lasst kund sein allen Menschen.
Der Herr ist nahe. Sorgt nicht, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten im
Gebet und Flehen mit Dank vor Gott offenbar werden. Und der Friede Gottes, der
höher ist als alle Vernunft, bewahre euere Herzen und Sinne in Christus Jesus.“
Liebe
Freunde und Freundinnen, ich will zunächst erklären, warum ich diese bekannten
Worte, die ja jeden Sonntag fast in unseren Kirchen zu hören sind, ausgesucht
habe. Das hängt mit der Situation des Friedens und der Friedensbewegung
zusammen.
Denn
sie ist ganz anders, als die Friedensbewegung vor 20 Jahren. Da ging es um die
Opposition, gegen die Postierung von einzelnen Raketen und dagegen, dass unser
Land möglicherweise zum Zielpunkt von Atomsprengköpfen wird. Jetzt geht es um
etwas ganz anderes. Es geht um die Alternative, ob die Völkergemeinschaft der
ganzen Welt in eine neue Ära des Weltkrieges eintritt, oder ob wir es schaffen,
nun endlich das Programm der Vereinten Nationen und der Europäischen Union
durchzusetzen eine Weltfriedensordnung herzustellen auf allen Kontinenten. (Applaus)
Dazu
freilich, das wisst Ihr alle, müssen ganz andere Kräfte und Mittel mobilisiert
werden als vor 20 Jahren. Und ich habe mir überlegt, wo können die Kräfte
herkommen, die zu einer solchen Willensbildung uns ermutigen und bestärken?
Und
da fielen mir diese Worte des Apostels Paulus ein. Das was ich gesagt habe, wir
brauchen eine Weltfriedensordnung der Völker, das ist eine Forderung der
Vernunft. Aber um sie durchzusetzen, so meine ich, brauchen wir die Kräfte eines
Friedens, der höher ist, als alle Vernunft. Warum, weil die Kraft, das zu
bewirken und unser Denken und unseren Willen in diese Richtung zu bewegen nur
aus der Freude kommen kann. Die Freude ist gemeint, von der der Apostel Paulus
hier spricht. Eine Freude, zu der er uns auffordert, aber eben nicht nur
auffordert, sondern er erklärt auch, woher sie kommen kann. Er erklärt sie
damit, dass er sagt, unser Sinn, er möge gefesselt sein, so steht es in griechischer Sprache, an
Jesus Christus. Und der heutige Ostertag, erklärt, warum das so ist. Ihr wisst
es alle, an Jesus ist das volle Ausmaß der Verletzung von Menschenwürde, von
Verspottung, von Anspucken, von Diffamierung, von falschen Anschuldigungen bis
zum Justizmord am Kreuz offenbar geworden. Aber er hat all das besiegt, nicht
durch Gegenschläge, durch Gewaltanwendung, im Gegenteil, er hat ja Jüngern, die
Ihn verteidigen wollten, sogar das Schwert verboten. Und er hat all das
überwunden durch die Auferweckung, die wir am heutigen Tage begehen. Und das ist
der Anlass zu einer nicht mehr
zertrennbaren Freude, einer Freude, die uns den Zugang für einen Frieden, der
höher ist, als alle Vernunft, zu einem Frieden, von der der Apostel, wir haben
es gerade gehört, der Meinung ist, wir haben ihn mit Sanftmut durchgesetzt und
eben nicht mit Gewalt.
Was
bedeutet das für die Friedensbewegung?
Es
bedeutet, liebe Freundinnen und Freunde, dass wir eine Kraft haben, gegen die Entmutigung,
die ja ganz nahe liegt. Die Entmutigung gegenüber der Verspottung, der wir jetzt
ausgesetzt sind. Einer der namhaften Dichter unseres Landes, Hans Magnus
Enzensberger hat es ja für nötig gehalten unlängst in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung einen Spottartikel über die Friedensbewegung zu
veröffentlichen, der auf die Tonart: „Na hier seht ihrs ja, wie dumm eure ganze
Friedensbewegung ist.
Jetzt
ist der Tyrann beseitigt, nicht durch die Friedensbewegung, sondern durch die
Bomben der US-Air Force und durch die Gewalt der Marines.“ Das hat etwas
Entmutigendes. Aber wir können uns nicht entmutigen lassen, weil wir nicht
Erfolgsdenker sind, sondern die Friedensbewegung. Eine Friedensbewegung, die
von einem Frieden weiß, der höher ist, als alle Vernunft, als unsere
spöttische, verzagte, verunsicherte Vernunft. Und das wollen wir nun anwenden,
liebe Freundinnen und Freunde, jetzt in dem Denken von diesem Frieden her, das
ist ja nichts Mystisches, das ist etwas ganz Praktisches, ein Frieden, der
lebt. In einer unüberrechbaren Freude wird uns klar, wozu die Friedensbewegung
da ist und was sie bereits erreicht hat. Was hat sie denn erreicht?
Sie
hat erreicht, dass in aller Welt klar gestellt worden ist, die ganzen
Begründungen: Man wolle Waffen ausheben, man wolle die Welt vor einem Krieg mit
Chemischen, Biologischen u. Atomaren Waffen bewahren. Man wolle das durch
Kontrollen tun, die durch eine Drohkulisse glaubhaft gemacht wird. Das Alles
war Betrug. Das hat die Friedensbewegung in der ganzen Welt klargestellt. (Applaus)
Sie
hat auch klargestellt, dass der Besitz von B 52 – Bombern keine Rechtsgrundlage
ist dafür, dass man an jeder beliebigen Stelle in der Welt bombardieren kann
und damit unschuldige Menschen, Frauen und Kinder töten kann. Diese
Rechtsgrundlage existiert nicht und es ist eine geradezu kindische Vorstellung,
dass der Besitz von solchen Waffen das Recht gebe, sie über Andere nach eigenem
Belieben anzuwenden. Ich sage ausdrücklich, das ist eine kindische Vorstellung,
unwürdig einer Menschheit und einer Völkergemeinschaft, die aus dem Jahrhundert
der Weltkriege aus dem Auschwitz- und Screbreniza–Jahrhundert her kommen. Es
ist auch weiterhin klar gestellt worden, und dazu sind wir hier, um an dieser
Klarstellung weiterzuwirken, dass die „Friedliche Revolution“, doch nicht dazu
stattgefunden hat, dass wir dann den Auszug aus dem Jahrhundert der Weltkriege
und den Auszug aus dem Jahrhundert der Massenvernichtungswaffen zu dem Zweck
vollzogen haben, um zurück zu kehren, in ein Zeitalter des Imperialismus, in
dem das alles wiederkommt. In dem der ganze Unterschied zum 20.Jahrhundert darin
bestehen soll, dass es nur eine Supermacht geben soll, die all das verwenden
kann. Nein, dazu war die friedliche Revolution nicht da. Und die friedliche
Revolution hat einen ganz anderen Beweis angetreten. Wir stellen uns einmal
vor: Bei uns wäre es so hergegangen, wie es jetzt in Bagdad hergeht. Wir haben
doch, und brauchen uns deswegen nicht zu rühmen, aber wir müssen daran
festhalten, dass in unserem Lande eine Diktatur gestürzt worden ist, durch eine
friedliche Revolution und dadurch, dass da gehandelt worden ist unter der
Devise: „Keine Gewalt!“. Und wir haben klar gestellt, dass diese friedliche
Revolution nicht zu dem Zweck stattgefunden hat, dass eigentlich schnell nach
der Sowjetarmee und der Nationalen Volksarmee die Bundeswehr oder irgendwelche
andere Armeen in die Rechtsnachfolge eintreten und unser Land mit einem
BOMBODROM bedrohen. (Applaus)
Wir
haben klargestellt, dass wir zu dem Volk gehören, zu dem Völker in aller Welt
mittlerweile gehören, die ihren Regierungen sagen, NEIN, wir sind mündig genug,
um Euch sagen zu können, diesen Weg der Lösung internationaler Gewalt durch
B52-Bomber und durch Marines wollen wir nicht mehr mitgehen. Das ist
klargestellt. Und dabei bleiben wir. Und wir können in aller Ruhe dabei
bleiben, weil wir 1989 wie jetzt handeln aus der Freude darüber, dass das
klargestellt worden ist. Und insofern ist das, was wir hier tun in Fretzdorf
und anderswo, zwar eine lokale Angelegenheit, wo Bürgerinnen und Bürger auch
ihre lokalen Interessen zu Geltung bringen, so wie das der Herr Bürgermeister
gesagt hat, aber wir sind Teil des Volkes in aller Welt, das den Regierungen
sagt, wir sind das Volk, das die Zeit der Kriege und des Umbringens
unschuldiger Menschen hinter sich gelassen hat. (Applaus)
Die
Worte des Apostels Paulus stellen auch noch etwas anderes dar. Ich weiß
natürlich, dass viele unter Euch jetzt fragen: „Wie konnte Gott das zulassen,
dass trotz aller Bemühungen von Millionen auf den Straßen dieser Welt, von
Australien bis nach San Franzisko doch eine Kulturstadt wie Bagdad bombardiert
worden ist und unersetzliche Kulturschätze zu Grunde gerichtet wurden mit der
Begründung: Ein Diktator könne nur auf diese Weise gestürzt werden? Wie konnte
Gott das zulassen?“.
Liebe
Schwestern und Brüder, die Antwort liegt vor. Und sie lautet: Die Frage ist
falsch gestellt! Denn die Frage richtet sich an die Völkergemeinschaft; auch an
uns und sie lautet: Wie konnten wir das zulassen, denn die Adresse und
die Hausnummer derer, die für die unschuldigen Toten und für die Zerstörung unersetzlicher
Kulturgüter verantwortlich sind, die ist bekannt. Und wir werden sie nicht
vergessen und wir werden mit allen uns zu Gebote stehenden Kräften und Gedanken
dafür eintreten, dass diejenigen, die dafür verantwortlich sind zur
Rechenschaft gezogen werden. (Applaus)
Das
sagen wir gerade als Vertreter der Friedensbewegung, als Vertreter einer
Friedensbewegung, die nicht aus Träumern und blauäugigen Idealisten besteht,
sondern eine Bewegung ist, die dafür eintritt, dass die Gewalt, die es auf der
Welt immer noch gibt, nur in einem Sinne eingesetzt werden kann, so wie es die
UNO-Charta voraussetzt, ähnlich im Interesse Aller und das heißt zur
Durchsetzung des Völkerrechtes und des Rechtes der Freiheit und Grundrechte
aller Völker und aller Menschen in aller Welt. Und wir können das sagen ohne
Hassgefühle. Und wir können es sagen im Wissen um den Frieden, der höher ist
als alle Vernunft und darum unsere Vernunft ermutigen, die Forderungen der
Vernunft in dieser Welt durchzusetzen, weil wir allsonntäglich und ich weiß
nicht, wie oft das „Vater unser“ beten; „...Dein Wille geschehe !“. Und der
Wille Gottes ist eben nicht, dass die Menschen sich gegenseitig umbringen, und
dabei auch noch seinen Namen missbrauchen, wie das ständig geschieht. Sein
Wille ist: „Friede auf Erden und Gerechtigkeit; dass Friede und Gerechtigkeit
sich küssen.“ Und wir können dabei ruhig und gelassen, oder sogar wie Paulus
sagt, „sanftmütig“ sein, weil wir Gott als Vater anrufen und seine
Väterlichkeit ist ganz etwas anderes, als was wir unter uns so nennen. Es ist
die Väterlichkeit jemandes, der weiß: Wir sind nur Staub. Aber wir sind nur
Staub und doch gleichzeitig Ebenbilder Gottes. Und darum hört Gott das Schreien
der Kinder und der Frauen und der Misshandelten und auch der Verspotteten und
Diffamierten und er wird darauf antworten. Er wird darauf aber so antworten,
wie wir es uns nicht vorstellen können, weil es dabei um den Frieden geht, der
höher ist als alle Vernunft.
Und
in diesem Sinne möchte ich euch ermutigen nicht nur zu marschieren, sondern
überall, wo ihr seid, wo ihr redet und handelt, gewiss zu sein, dass wir, das
Volk der Friedensbewegung, nicht mutlos und resigniert zu sein brauchen, weil
wir einen Zugang haben, zu einer ununterbrechbaren Freude, einen Zugang zu einen
Frieden, der höher ist als alle Vernunft und uns darum gerade ermutigt und
bekräftigt, das durchzusetzen, was die Vernunft von uns in dieser unserer Zeit
von uns fordert.
f.d.R.d.A.:
Tonbandaufzeichnung
Rainer Kühn
Chronist
BI-FREIeHEIDe