Betr.: Durchführung eines Anhörungsverfahrens im Hinblick auf die zukünftige
Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock
Maßgeblich für eine bestandskräftige
Entscheidung zur Anschlussnutzung des Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock durch
die Bundeswehr sind die vom Bundesverwaltungsgericht in den zu Grunde liegenden
Urteilen vom 14.12.2000 getroffenen Feststellungen und Vorgaben für die
Anhörung der Anliegergemeinden. Danach ist von Folgendem auszugehen:
1. Der Bund ist durch den Einigungsvertrag (EV) Eigentümer der von den sowjetischen Streitkräften genutzten Flächen des Luft-/Boden-Schießplatzes geworden. Ich verweise hierzu auf folgende Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil betr. die Gemeinde Rossow:
„Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV bewirkte, dass
das Eigentum an dem Gelände als Teil des für Verteidigungsaufgaben bestimmten
Vermögens der DDR auf den Bund überging“ (S. 12 des Urteils).
„Die auf Grund des Art. 21 und 19 EV
eröffnete Befugnis zur weiteren militärischen Nutzung des Geländes ist von der
Beklagten (Bund) - entgegen der Annahme der Klägerin - nach Abzug der
ausländischen Truppen nicht aufgegeben worden“ (S. 16 des Urteils).
2. Hinsichtlich der von den Anliegergemeinden
beanspruchten Wegeparzellen heißt es in dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts:
„Vieles deutet darauf
hin, dass die Zuordnungsentscheidungen (zu Gunsten der Anliegergemeinde) nicht
hätten ergehen dürfen. Denn die Wegegrundstücke waren sowohl an dem nach Art.
21 Abs. 1 EV maßgeblichen Stichtag des 1. Oktober 1989 als auch an dem nach §11
Abs. 1 Satz 3 VZOG maßgeblichen Stichtag des 20. März 1993 Teil des Truppenübungsplatzgeländes.
Solange jedoch die angekündigte Rücknahme noch aussteht oder ...., kann er (der
Bund) nicht über das Eigentum der Klägerin sich kurzer Hand hinweg setzen“ (S.
18 des Urteils).
Durch Aufhebungsbescheid des Oberfinanzpräsidenten der OFD Cottbus vom 29.01.2001 ist die Zuordnung zu Gunsten der Anliegergemeinde Rossow rückwirkend zurückgenommen und zugleich eine neue Zuordnung zu Gunsten des Bundes ausgesprochen worden. Damit steht fest, dass die Anliegergemeinde Rossow - dies entspricht auch den Wegeparzellen anderer Anliegergemeinden - kein Eigentum an den Wegeparzellen hat.
3. Die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Anhörung bezieht sich auf die durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Planungshoheit der Gemeinden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
„Vielmehr
hat sie (der Bund) darüber eine dem materiellen Recht entsprechende Entscheidung
nach Anhörung der in ihrer Planungshoheit betroffenen Klägerin zu treffen“ (S.
19 des Urteils).
„Gegenüber
der Klägerin hat die Beklagte (der Bund)
... die nach Maßgabe des Art. 28
Abs. 2 GG geschützte Planungshoheit der Klägerin zu beachten“ (S. 19 a.E. des
Urteils).
„Solange
diesen Anforderungen nicht genügt ist, kann die Klägerin die Beschränkung ihrer
Planungshoheit abwehren“ (S. 20 des Urteils).
„Eine
mittelbare Anhörung (über die brandenburgische Landesregierung) reicht aus“ (S.
23 des Urteils).
„Eine
Anhörung, die den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 Satz I GG genügt, setzt
indes mehr voraus, als dass eine Gemeinde in beliebiger Weise über bestimmte
Absichten informiert wird und Gelegenheit erhält, hierzu Erklärungen abzugeben.
Erforderlich ist, dass der Gemeinde ein zeitlicher Rahmen zugebilligt wird, der
es ihr ermöglicht, sich nach einer der Materie angemessenen Prüfung und
Würdigung zu den aus ihrer Sicht maßgeblichen Punkten sachgemäß zu äußern.
Erforderlich ist weiter, dass die eingeholte Stellungnahme zur Kenntnis
genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen wird“ (S. 24 des Urteils).
Auf der Grundlage dieser Feststellungen
und Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtes sind Einwendungen gegen die
Anschlussnutzung des Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock durch die Bundeswehr
wie folgt zu bewerten:
1. Eigentum an den Flächen des
Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock
Nach den
einschlägigen Vorschriften des Einigungsvertrages hat der Bund Eigentum an den
Flächen des Luft-/Boden-Schießplatzes erworben. Soweit unwesentliche Teile der
Flächen noch nicht zugeordnet worden sind, werden diese - wie im Falle der Gemeinde Rossow - auf
Grund des rechtkräftigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts dem Bund
zugeordnet werden. Eine Beschaffung nach dem Landbeschaffungsgesetz ist nicht
erforderlich. Im übrigen ist die Eigentumsfrage nicht Gegenstand des
Anhörungsverfahrens.
2. Ausreichende Unterlagen für die Anhörung
Die Anforderungen
an die Unterlagen sind gesetzlich nicht geregelt. Sie ergeben sich aus der
Funktion des Anhörungsverfahrens. Nach den genannten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichtes
soll das Anhörungsverfahren die betroffenen Gebietskörperschaften in die Lage
versetzen, ihre Rechte aus der Planungshoheit gegen die Anschlussnutzung des
Luft-/ Boden-Schießplatzes Wittstock durch die Bundeswehr geltend zu machen.
Für diesen Zweck wurden folgende Unterlagen an die Gebietskörperschaften
übersandt:
-
Beschreibung des Gesamtvorhabens Luft-/Boden-Schießplatz Wittstock
mit Grundkarte
-
Betriebskonzept für den Luft-/Boden-Schießplatz Wittstock mit
Karte zur militärischen Nutzung
-
Beschreibung der Einrichtung einer Standortschießanlage und eines Standortübungsplatzes
-
Gutachten der Fa. EADS Deutschland zur Ermittlung der
Fluglärmbelastung mit Karte
-
Beschreibung der Infrastruktureinrichtungen.
Hierbei kommt dem
Gutachten der Fa. EADS Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Denn durch
Fluglärm können Gemeinden in ihren gemeindlichen Planungen stark eingeschränkt
werden. Im vorliegenden Falle stellte der Gutachter im Wesentlichen fest:
-
Im gesamten Gebiet um den Luft-/Boden-Schießplatz Wittstock liegen
keine äquivalenten Dauerschallpegel über 75 dB (A) vor.
-
Der Luft-/Boden-Schießplatz weist einen äquivalenten
Dauerschallpegel über 67 dB (A) auf; wobei im Norden des Platzes dieser
Grenzwert die Liegenschaftsgrenze um 200 m überschreitet. Hierdurch wird eine
Bebauung aber nicht betroffen (S. 5 des Gutachtens).
Diese
Feststellungen sind in der abschließenden Entscheidung des Bundesministeriums
der Verteidigung an Hand der Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz gegen
Fluglärm zu bewerten. Danach dürfen in der Schutzzone 1, ein Gebiet mit einer
Lärmbelastung in Höhe des äquivalenten Dauerschallpegels 75 dB (A), Wohnungen
nicht errichtet werden. Eine solche Lärmbelastung liegt hier - wie der
Gutachter festgestellt hat - nicht vor. Dagegen dürfen in der Schutzzone 2, ein
Gebiet mit einer Lärmbelastung von 67 dB (A), Wohnungen mit gesetzlich
vorgeschriebenen Schallschutzanforderungen errichtet werden.
Darüber hinaus
sind die nach TA-Lärm für Bodenlärm festgelegten Abstände der Wohnbebauung zu
den Truppenübungsplätzen wegen des hier zu berücksichtigenden Fluglärms nicht
maßgebend. Selbst wenn die Abstandsregein für Bodenlärm hier gelten würden,
müssten sie wegen der vorhandenen Vorbelastungen durch den
Luft-/Boden-Schießplatz nicht eingehalten werden. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist bei einem Zusammentreffen
unterschiedlicher Gebiete die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen
Pflicht zur Rücksichtrahme belastet. Dieser Pflicht unterliegt dabei nicht nur
derjenige, der Belästigungen verbreitet, sondern führt auch zu einer Duldungspflicht
derjenigen, die in der Nachbarschaft von Belästigungsquellen wohnen. Diese gegenseitige
Pflichtigkeit führt dazu, dass Immissionsricht- oder Grenzwerte überschritten
werden dürfen.
Aus den
zugesandten Unterlagen können die Gemeinden erkennen, ob und inwieweit ihre
Planungshoheit betroffen ist.
Die vorgegebene
Frist von 3 Monaten ist angemessen. Sie entspricht den Vorgaben vergleichbarer
Gesetzesvorschriften, z.B. §73 Abs. 3 a des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Eine
Verlängerung der vom Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung
festgelegten Frist über den 25. Januar 2002 hinaus ist daher nicht
erforderlich.