Geschichte der FREIen HEIDe

Das Gelände zwischen Wittstock, Rheinsberg und Neuruppin wurde nach 1950 vom sowjetischen Militär schrittweise besetzt, die Eigentümer zwangsenteignet, ein Artillerieschießplatz und Bombenabwurfplatz eingerichtet. Dieses Bombodrom hatte eine Fläche von 144 km² (entspricht ca. 1/6 Berlins) und erreichte 20 km in Nord-Süd- und maximal 10 km in Ost-West-Ausdehnung. Im persönlichen Erleben der Menschen in der Nachbarschaft ging der 2. Weltkrieg praktisch noch Jahrzehnte weiter.

Nach der deutschen Einigung 1990 begann die Bevölkerung, die zivile Nutzung zu gestalten. So wurden erste Schritte für die touristische Erschließung getan und ein Wegenetz konzipiert. Die Bundeswehr ermutigte dies anfangs, veröffentlichte aber 1992 den Plan, das Bombodrom ,,weiternutzen'' zu wollen, worauf der Protest entstand, der bis heute anhält.

Am 22. Dezember 1993 übertrug das Bundesvermögensamt die Liegenschaft an die Bundeswehr. Fast gleichzeitig verschickte die Oberfinanzdirektion Cottbus Eigentumstitel an Gemeinden, Kirchgemeinden und einige Privatpersonen. Im Frühjahr 1994 wurde gemeinsam eine Klage auf Unterlassung der militärischen Nutzung und Herausgabe des Eigentums eingereicht.

Entscheidend war die Klage der anliegenden 14 Gemeinden, die sie mit ihrem grundgesetzlich verankerten Planungsrecht begründeten. Sie bekamen in der ersten und zweiten Instanz recht, weil der Einigungsvertrag, auf den sich die Bundeswehr berief, keine expliziten Weiternutzungsrechte für Flächen der Alliierten vorsah. Die Bundeswehr müsste somit die Neueinrichtung des Truppenübungsplatzes und ein Planungsverfahren anstreben. Alle eigentumsrechtlichen und anderen Fragen wurden dem oben beschriebenen Verfahren untergeordnet.

Bereits vor dem Verfahren am Bundesverwaltungsgericht war klar, daß auf eine Bestätigung der Vorinstanzen nicht zwingend eine zivile Nutzung des Geländes folgt. Die Bundeswehr kann sich auf die grundgesetzliche Aufgabe der Landesverteidigung berufen und im Rahmen eines Planungsverfahrens einen Truppenübungsplatz einrichten. Dazu gibt es das "Landbeschaffungsgesetz", das ihr bei entsprechender Begründung den Zugriff auf jede Fläche in der Bundesrepublik sichert. Die Enteignungen wären hier aber eine Festschreibung des stalinistischen Unrechts und diese politische und emotionale Brisanz in Ostdeutschland war sicher ein Auslöser für die ausgedehnten Proteste.

Die Reduzierung der deutschen Luftwaffe seit Anfang der neunziger Jahre von 892 (mit NVA der DDR) auf 506 Flugzeuge erschwert andererseits den Nachweis des Bedarfs für die Bundeswehr weiter. Alles in allem ging es also vor Gericht auch um eine Abwägung von Grundrechten.



Abriß zur Kyritz-Ruppiner Heide

Dezember 2000
Das Bundesverwaltungsgericht lehnt den Revisionsantrag des Bundesverteidigungsministeriums in Sachen Bombodrom ab, schwächt jedoch das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes ab: statt förmlichem Planungsverfahren wird dem Bund nun ein Anhörungsverfahren auferlegt. Wie dieses aussehen soll, bleibt offen, denn ein Anhörungsverfahren hat das Bundesverteidigungsministerium bisher noch nie durchgeführt. Die jahrelangen Bemühungen von BürgerInnen, Gemeinden, dem Landkreis und vielen anderen münden zwar in einen Teilerfolg, aber das Ende des von der Roten Armee per Zwangsenteignung im Kalten Krieg eingerichteten 142 qkm großen Bombodroms 80 km nördlich von Berlin ist nicht in Sicht.
Herbst 2001
Im Anhörungsverfahren legt das Bundesverteidigungsministerium fest, wer überhaupt zu fragen ist. Mecklenburg wird dabei gleich ganz ausgeschlossen, da die Landesgrenze 5 km vom Platz entfernt liegt. Auch viele naheliegende Orte, verschiedene Umweltverbände... werden nicht befragt. Tausende Bürger, viele Vereine, Dörfer und Städte melden sich trotzdem mit der Forderung zur zivilen Nutzung zu Wort. Nichts ist davon im Abschlußbericht erwähnt. Von den 22 Verfahrensbeteiligten votieren 21 entweder absolut gegen die militärische Nutzung oder haben große Bedenken, lediglich das brandenburgische Wirtschaftsministerium (CDU) befürwortet nachdrücklich die militärische Nutzung, da "die militärische Nutzung des Geländes mit den Interessen des Tourismus in Einklang gebracht werden könne".
Frühjahr 2003
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) plant die baldige Unterschrift unter den Anhörungsbescheid, der die militärische Nutzung des Bombodroms festlegen soll. Zehn Jahre zuvor hieß es:
"Wir fordern den Verteidigungsminister auf, die in seinem Konzept vorgesehene Weiternutzung ... des Übungsplatzes Wittstock-Neuruppin aufzugeben. Wenn die Bundeswehr diesen Platz tatsächlich weiternutzen wird, so wird sie damit... gegen den von ihr selbst aufgestellten Grundsatz verstoßen, prinzipiell keine sowjetischen Übungsflächen zur Weiternutzung übernehmen zu wollen, und damit wird sie in den neuen Ländern den Rest Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung verlieren. Darüber hinaus sollte sich der Verteidigungsminister überlegen, ob er einen Truppenübungsplatz weiternutzen will, der erst in den 50-er Jahren und nur durch Enteignung entstanden ist."
Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 30.10.1992, Herausgeber Dr. Peter Struck! 1994 versprach Kanzlerkandidat Rudolf Scharping, mit ihm werde es den Bombenabwurfplatz nicht mehr geben, als Verteidigungsminister verweigerte er ab 1998 jeden Kontakt mit der Region.

Folge:
Während Deutschland außenpolitisch für friedliche Konfliktlösung (Irak) eintritt, werden verteidigungspolitisch neue Aufrüstungsziele gesteckt: Die Umstrukturierung der Bundeswehr von einer defensiven Verteidigungsarmee in eine Interventionsarmee, die die vitalen Interessen Deutschlands bei internationalen Konflikten zu sichern hat, soll mit dem Bombodrom Wittstock einen entscheidenden Schwerpunkt erhalten.